In Europa besuchen immer weniger Menschen christliche Gottesdienste. Vor allem die jüngere Generation bleibt ihnen fern. Um etwas dagegen zu unternehmen, hilft die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage jungen Erwachsenen, eine Verbindung zueinander und zu ihrem Glauben aufzubauen.
1910 lebten noch zwei Drittel aller Christen auf der Welt in Europa. Einhundert Jahre später waren es laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Pew Research über die weltweite Verbreitung des Christentums nur noch 25 Prozent. Im Allgemeinen gehen die jüngeren Europäer nicht so häufig in die Kirche wie ihre Eltern. Der auf Europa begrenzten sozialwissenschaftlichen Studie ESS zufolge gab in über der Hälfte der untersuchten Länder die Mehrheit der jungen Erwachsenen an, keiner Religion anzugehören.
In den Vereinigten Staaten ergab die Umfrage von Pew Research zum religiösen Umfeld, dass das religiöse Engagement unter den Millennials in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage am größten ist. Dies führt zu der Frage, was diese Kirche anders macht.
Eine der erfolgreichsten Methoden, mit denen die Kirche Jesu Christi die Beteiligung von jungen Erwachsenen fördert, sind Konferenzen in ganz Europa. Bei diesen Konferenzen wird das Wissen über das Evangelium vertieft und sie bieten die Gelegenheit, in geselligem Beisammensein andere Mitglieder der Kirche kennenzulernen.
Zwischen Juni und September 2019 fanden in verschiedenen Ländern in Europa über ein Dutzend Konferenzen für junge Erwachsene statt. In Großbritannien, Frankreich und Schweden waren besonders viele Besucher zu verzeichnen.
Die älteste und traditionsreichste Konferenz für junge Erwachsene in Europa ist Festinord, übersetzt die „Party im Norden“, die abwechselnd in den nordischen Ländern stattfindet. Festinord wurde erstmals 1966 in Stockholm veranstaltet und war ursprünglich für junge Menschen ab 14 Jahren gedacht. Heute können nur noch Teilnehmer im Alter von 18 bis 30 Jahren die Konferenz besuchen. Dieses Jahr kamen etwa 650 junge Erwachsene in Malmö zusammen.
Håkan Palm, der 1966 am ersten Festinord teilnahm, sagt, dass die Konferenz „zu einer internationalen Marke geworden ist, zu der Jugendliche aus aller Welt kommen“, denn „Festinord hat etwas, was junge Mitglieder der Kirche anspricht. Festinord bietet viele Möglichkeiten. Da heißt es nicht so sehr: ‚Mach jetzt das!‘, sondern eher: ‚Herzlich willkommen, ich wünsche dir viel Spaß!‘“
Inzwischen sind Konferenzen für junge Erwachsene auf der ganzen Welt verbreitet. 2017 kamen junge Menschen im Libanon zur ersten Konferenz im Nahen Osten zusammen. Der Hauptgrund für den Erfolg dieser Konferenzen ist, dass sie junge Erwachsene sowohl auf sozialer als auch auf geistiger Ebene zusammenbringen.
Ein geselliger Anlass
Bei den Konferenzen können Millennials Altersgenossen mit ähnlichen Werten kennenlernen. Freunde zu finden ist für diese Gruppe von entscheidender Bedeutung. Einer Studie von YouGov zufolge gibt ein Millennial von fünf an, er habe keine Freunde. Deshalb bezeichnet man die Millennials auch als „die einsamste Generation“.
Schuld daran sind soziale Medien und das Internet, so der Festinord-Teilnehmer Joakim D. R. Andersen aus Kopenhagen. „Wir leben in einer Zeit, in der es nicht so einfach ist, im wirklichen Leben jemanden kennenzulernen. Ein Großteil unserer sozialen Interaktion wird heute von Internet und Smartphone bestimmt. Ich denke, diese Konferenzen bieten einen Rahmen, wo man jemanden auf eine Art und Weise kennenlernen kann, wie es seit einiger Zeit auf der Welt immer seltener möglich ist.“
Jennifer Liv Christophersen aus Kopenhagen hat schon an acht Festinord-Konferenzen teilgenommen. Sie findet es nicht immer einfach, ein junger Erwachsener in einer Kirche zu sein, die so viel Wert auf das Familienleben legt. „Für jemanden, der einer kleineren Kirchengemeinde angehört oder der nicht viele junge Alleinstehende um sich hat, ist es schwierig, wenn sich in dieser Gemeinde alles um die Familie dreht, weil die anderen dann alle an einem ganz anderen Punkt in ihrem Leben stehen.“ Bei den Konferenzen hingegen kämen viele junge Erwachsene zusammen, die einander Halt geben.
Prabhakaran (Prabhu) Santhanam, der sich 2017 der Kirche angeschlossen hat und mittlerweile in Zürich wohnt, empfand bei der Konferenz in der Schweiz das Gefühl der Zugehörigkeit. „Da ich zu den Bekehrten gehöre, sind weder meine Angehörigen noch die meisten meiner Freunde Mitglieder. Bei dieser Konferenz hatte ich das Gefühl, dass ich nicht nur Freunde, sondern Brüder und Schwestern gefunden habe. Ich habe die ganze Woche mit einer Familie verbracht, die meinen Glauben und meine Wertvorstellungen teilt. Ich fühlte mich angenommen und bestätigt.“
Viele junge Erwachsene lernen bei Konferenzen ihre „bessere Hälfte“ kennen. Elder Bruce C. Hafen, emeritierte Generalautorität, erklärte bei einer Konferenz in der Schweiz im Juli 2019: „Wenn wir mit kirchlichen Führungsbeamten in Europa zusammenkommen und sie fragen, wo Sie Ihren Ehepartner kennengelernt haben, hören wir immer wieder, dass sie einander bei Festinord oder einer anderen Konferenz begegnet sind.“
Auf Konferenzen haben junge Erwachsene Spaß – und zwar ohne Alkohol. Die Teilnehmer halten sich an einen Verhaltenskodex: Sie verzichten auf Schimpfwörter, Drogen und Alkohol und achten auf ihre Keuschheit.
Eine geistige Auffrischung
Außer dem Kennenlernen geht es bei diesen Konferenzen darum, den Glauben der Millennials zu stärken. Führer der Kirche und Sprecher bieten Workshops und Andachten mit geistlicher Führung an.
„Ich finde, dass eine geistige Andacht, ein Workshop oder ein Kurs eine großartige Gelegenheit ist, mein Verständnis des Evangeliums zu vertiefen und mein Zeugnis zu stärken“, erklärt Wili Wrangell aus Helsinki.
Christophersen vergleicht Konferenzen für junge Erwachsene mit geistigen Impfungen gegen Zweifel, Ängste und Einsamkeit. „Für mich ist das wie eine Auffrischungsimpfung. Du bekommst im Sommer so eine Impfung, und dann kann dein Geist bis zur nächsten Veranstaltung durchhalten. Du gehst nach Hause und dein Geist wird schwächer. Dann steht die nächste Auffrischungsimpfung an.“
Workshops mit Fragen und Antworten helfen jungen Erwachsenen, Probleme zu lösen. „Wenn ich diese Fragen mit anderen jungen Alleinstehenden diskutiere, habe ich das Gefühl, der Antwort einen Schritt näher zu kommen“, sagt Santhanan.
Die Vorbereitung einer Konferenz dauert etwa ein Jahr, erklärt Bjarne Windhausen, einer der jungen Erwachsenen, die die diesjährige Konferenz in der Schweiz vorbereitet haben. Und die meisten Entscheidungen werden von den jungen Erwachsenen selbst getroffen. „Die beiden älteren Paare halfen, und wir trafen alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam. Aber am Ende hatten wir das letzte Wort, weil wir die jungen Erwachsenen sind und wir die Zielgruppe am besten kennen“, meint eine junge Erwachsene.
Für sie hat sich die Vorbereitung dann gelohnt, wenn man sieht, wie sehr sich die jungen Erwachsenen miteinander und mit dem Evangelium verbunden fühlen. Andersen fasst seine Erfahrungen in einem Satz zusammen: „Gute Freunde, guter Geist, gute Zeit (aber nicht viel Schlaf).“
Die Vorbereitung für die Konferenzen im kommenden Jahr sind schon im Gange und man hofft auf eine mindestens ebenso gute Beteiligung. Wrangell sagt: „Ich freue mich schon auf noch weitere Konferenzen!“