Dr. George Bennett und Dr. Lyle Archibald sind als Arzt schon pensioniert. Doch sie begleiten etliche andere medizinische Fachkräfte und reisen jedes Jahr mehrmals in Entwicklungsländer, wo sie den Gesundheitsminister und medizinisches Fachpersonal schulen. Sie widmen ihre Zeit und ihre Fähigkeiten ehrenamtlich einer Tätigkeit für die LDS Charities, den humanitären Arm der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.
- Zu den Hilfsgütern gehören Wasserbehälter, Rollstühle und Bekleidung für Frauen.
- Masernimpfaktion in Afrika
- Ein Mann hat gerade einen neuen Rollstuhl von LDS Charities in Chitwan in Nepal erhalten.
- Katastrophen 2011 - 2
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Bennett und Archibald gehören zu den 246 engagierten ehrenamtlich tätigen Fachleuten und über 80 Vollzeitmissionaren im humanitären Dienst, die in aller Welt im Außeneinsatz arbeiten. Im Laufe der vergangenen 30 Jahre hat sich das humanitäre Programm immer weiter ausgeweitet. Immer mehr ausgebildete Kräfte meldeten sich für die acht Referenzprogramme unter dem Dach der LDS Charities.
Der gezielte Einsatz in aller Welt begann 1985, als Spencer W. Kimball (1895–1985), der damalige Präsident der Kirche, die Mitglieder in den Vereinigten Staaten und Kanada dazu aufrief, für die Opfer von Hunger und Dürre in Äthiopien eigens zu fasten. Es war nicht das erste Mal, dass Mitglieder der Kirche bei einer auswärtigen Krise halfen. Brigham Young beauftragte schon während der Besiedlung des Territoriums Utah Farmer damit, die Indianer zu unterstützen. Die Frauen der Mormonen spendeten nach dem Ersten Weltkrieg über 200.000 Scheffel Weizen für Menschen in Not. 1946/47 wurden im kriegsgeschädigten Europa Lebensmittel und medizinische Hilfsgüter verteilt. Mitglieder der Kirche halfen 1953 gemeinsam mit Angehörigen anderer Glaubensrichtungen nach einem Erdbeben in Griechenland. Nach dem Vietnamkrieg gewährten sie den Flüchtlingen weitreichende Unterstützung.
Als die Erste Präsidentschaft 1985 dazu aufrief, eigens zu fasten (für zwei aufeinanderfolgende Mahlzeiten auf Essen und Trinken zu verzichten) und einen Spendenaufruf damit verband, übertraf das Ergebnis die Erwartungen der Kirchenführung bei Weitem. Etwa 6,4 Millionen Dollar kamen zusammen. Die Kirche schloss sich daraufhin anderen internationalen Hilfswerken an und lieferte Hilfsgüter in das vom Krieg gezeichnete und von Dürre geplagte Äthiopien.
Angesichts der erfolgreich durchgeführten Hilfsmaßnahmen erklärte Präsident Thomas S. Monson den Mitgliedern der Kirche 1990 rückblickend: „Es ist unsere Pflicht, Hungrigen, Obdachlosen und Unterdrückten im In- und Ausland Hilfe zu leisten und ihnen Hoffnung zu bringen.“
Ein Schwerpunkt der Tätigkeit der LDS Charities ist die Notfallhilfe. Dabei geht es darum, sofort und langfristig auf Anforderungen zu reagieren, wenn sich eine Naturkatastrophe ereignet wie beispielsweise der Orkan, der unlängst über die Pazifikinsel Vanuatu hinwegfegte. Dort wurden Hilfsgüter verteilt. Seit vielen Jahren schulen Mediziner ehrenamtlich ihre Kollegen in Entwicklungsländern in der Wiederbelebung von Neugeborenen. Mittlerweile wurde dieses Programm auch auf die Betreuung von Müttern ausgeweitet. Um die Eigenständigkeit des Einzelnen zu fördern, führen ehrenamtlich tätige humanitäre Helfer Schulungen über Lebensmittelerzeugung und Ernährung durch. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Diagnose und Behandlung von Sehstörungen. Auch die Gerätschaften und Materialien für Augenuntersuchungen und eventuelle Operationen werden bereitgestellt. In vielen Teilen der Welt gibt es nicht ausreichend sauberes Wasser. Die LDS Charities helfen auf kommunaler Ebene beim Bau von Trinkwasser- und Abwasseranlagen, um einen besseren Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen. Sie schließen sich auch mit anderen Hilfsorganisationen zusammen, um Impfmaßnahmen gegen vermeidbare Krankheiten durchzuführen. Im vergangenen Jahr wurde zum Beispiel mit annähernd 60.000 Rollstühlen vielen Bedürftigen zu größerer Bewegungsfreiheit verholfen.Der letzte Einsatz umfasste mehrere Gemeinschaftsprojekte zur Unterstützung von Flüchtlingsgruppen in aller Welt.
Im Juni 2014 reiste Dr. George Bennett, ein Anästhesist aus Ivins in Utah, als medizinischer Ausbilder nach Tadschikistan. Bennett und seine Frau Marcia führten in Zusammenarbeit mit Beamten der Gesundheitsbehörden, Ärzten, Hebammen und Krankenpflegepersonal ein neues Verfahren für die Gesunderhaltung von Müttern ein.
Bruder und Schwester Bennett, beide über siebzig, waren fast elf Jahre ehrenamtlich im internationalen Programm zur Versorgung von Müttern und Neugeborenen tätig. Nun kommt für sie im Rahmen der humanitären Hilfe der Kirche also noch ein Pilotprogramm hinzu, das von Jhpiego entwickelt wurde, einer gemeinnützigen Gesundheitsorganisation, die der Johns Hopkins University und der Weltgesundheitsorganisation angegliedert ist. Das Verfahren dient der Behebung postnataler Blutungen, früher die Hauptursache für Müttersterblichkeit in Tadschikistan. Die Einführung des Verfahrens hat die Sterblichkeit von Müttern nach einer Entbindung bereits deutlich zurückgehen lassen.
„Wie erfolgreich ein Projekt war, erkennt man daran, dass man unterrichtet, die erforderliche Ausrüstung zur Verfügung stellt und das Projekt dann von den Begünstigten aufrechterhalten wird. Sie führen es tatsächlich weiter!“, berichtet Marcia Bennett. „Dann weiß man, dass man im Gesundheitswesen eines Landes wirklich etwas erreicht hat.“
Auf einem anderen Kontinent hat Dr. Lyle Archibald, Onkologe im Ruhestand und seit sechs Jahren ehrenamtlicher Mitarbeiter von LDS Charities, eine Arbeitsgruppe zusammengestellt, die der einzigen Krebsklinik in Paraguay Hilfe leisten soll.
„Wir haben Fachärzte eines Untersuchungsausschusses dorthin geschickt, und zwar einen nach dem anderen, um das dortige medizinische Pflegepersonal nicht zu überfordern“, erklärt Archibald. „Wir wollten feststellen, was sie brauchten, und Programme entwickeln, die ihnen die besten Behandlungsmethoden in ihrem Land aufzeigen sollten.“
Aus Archibalds Projekt gingen schließlich Schulungsprogramme hervor, in denen beispielsweise Vorschläge für Operationsverfahren gemacht werden oder dargelegt wird, wie sich die am Ort vorhandenen Gerätschaften optimal nutzen lassen.
„Wir haben nicht vor, die Infrastruktur vor Ort zu erneuern“, erklärt Gustavo Estrada, Projektleiter für regionale Einsätze im humanitären Dienst der Kirche. „Regionale Probleme erfordern regionale Lösungen und die Nutzung der regionalen Möglichkeiten. Um die größtmögliche Wirkung zu erzielen, arbeiten wir mit Einrichtungen zusammen, die an Ort und Stelle entstanden sind.“
Bei dem regional begrenzten Einsatz in Äthiopien 1985 wurden zum ersten Mal Fastopfergelder für humanitäre Hilfe verwendet (normalerweise dient dieses Geld der Unterstützung bedürftiger Mitglieder in den jeweiligen Kirchengemeinden). Nachdem der Spendenfluss nicht aufhörte, wurden die Mitglieder 1991 gebeten, den Betrag als „humanitärer Bedarf“ in der Zeile „Sonstiges“ auf dem einheitlichen Spendenzettel einzutragen. 1996 wurde der Spendenzettel um die Zeile „humanitär“ erweitert. Alle Spenden für den humanitären Fonds, die von den Mitgliedern geleistet werden, kommen unmittelbar Maßnahmen für Bedürftige in aller Welt zugute. Dabei spielen Religionszugehörigkeit, Hautfarbe oder sonstige Umstände keine Rolle. Zusätzliche Unkosten für gespendete Vorräte, Schulung und Transport werden von der Kirche übernommen, sodass die Spendengelder direkt bei den Bedürftigen landen. Um möglichst viel zu erreichen, suchen die Leiter des humanitären Dienstes der Kirche auch die Zusammenarbeit mit anderen Hilfswerken, Einrichtungen im Gesundheitswesen und nichtstaatlichen Organisationen (NGO).
Dreißig Jahre nach dem ersten Spendenaufruf erstreckt sich die humanitäre Hilfe der Kirche weit über die eigenen Reihen hinaus und erreicht damit vor allem in der Dritten Welt und in unterentwickelten Ländern Hunderttausende bedürftige Menschen. 2014 beispielsweise kam die Hilfe fast 1,2 Millionen Menschen in 131 Ländern zugute.
„Diese Wohlfahrtshilfe ist mehr als nur eine Hilfe“, erklärt Sharon Eubank, Direktorin von LDS Charities. „Wird sie unter den richtigen Grundsätzen in die Tat umgesetzt, dann gewinnen die Würde und der Wert des Menschen, die Zusammenarbeit, die Einigkeit und die Opfer an Bedeutung. Man hat die Gewissheit, dass niemand zu arm oder zu unfähig ist oder zu sehr am Rand steht, um einen wertvollen Beitrag zu leisten.“